1. Drei Fragen zur Bifurkation

(Bifurkation – lat. Verzweigung)

 

 

Welche Voraussetzungen braucht man?

 

·  Um Untersuchungen durchzuführen, braucht man etwas, das sich  

   beobachten läßt. Damit die benötigte Mathematik überschaubar

   bleibt, ist es in unserem Fall ein physikalisches Setting, dessen Dy-

   namik sich als System nichtlinearer Differentialgleichungen 1. Ord-

   nung formulieren läßt:

   Die Verwendung des Variablennamens "x" verführt zu der An-

   nahme, es handele sich um räumliche Koordinaten. Das kann,

   muß aber nicht der Fall sein. Bei einem Halbleiterbauelement ist

   die dynamische Variable zum Beispiel die Stromdichte oder bei

   einem Laser die Anzahl angeregter Atome (siehe zum Beispiel

   "Nonequilibrium Phase Transitions in Semiconductors", E.Schöll).

 

 

·  In der Medizin spricht man von Bifurkationen bei Verzweigungen

   von zum Beispiel Blutgefäßen, in der Geographie bei Flußverzwei-

   gungen. Für die Physik ist das Verhalten von Fixpunkten im Phasen-

   raum (Sattelpunkt, (in)stabiler Knoten, (in)stabiler Fokus) von Inte-

   resse, da sich dieses in Abhängigkeit von verschiedenen Kontrollpa-

   rametern verzweigen kann.

 

   An einem Fixpunkt verschwindet der Geschwindigkeitsvektor

   des Vektorfeldes, das System kann sich aus diesem Punkt nicht

   herausbewegen, es gilt:  

.

·  Fixpunkte unterscheiden sich in ihrem Stabilitätsverhalten. Es sind

   also geeignete Begriffe beziehungsweise Definitionen zur Klassifi-

   kation der Stabilität der Fixpunkte zu verwenden (siehe auch vor-

   angegangen Vortrag "Lineare Stabilitätsuntersuchung", Punkt 2

  dieses Vortrags  und zum Beispiel "Mechanik", F.Scheck).

 

stabil
labil
indifferent

 

 

Was macht man, um Bifurkationen zu klassifizieren?

 

·  Mit den Methoden der Linearen Stabilitätsanalyse werden die Fix-

   punkte auf ihre Stabilität untersucht. Bei komplexeren Bifurkatio-

   nen wie zum Beispiel der Hopf-Bifurkation treten neben Fixpunk-

   ten noch andere Attraktoren auf, in diesem Beispiel ein Grenzzy-

   klus. Zur Untersuchung der Stabilität der Grenzzyklen muß auf

   andere Untersuchungsmethoden ausgewichen werden (zum Bei-

   spiel numerische Simulationen).

 

·  Die Fixpunkte hängen von Kontrollparametern m des Systems ab.

   Um Bifurkationen zu beobachten, werden diese variiert.

 

 

Was passiert?

 

·  Liegt eine Bifurkation vor, so ändert sich die Struktur und Zahl der

   speziellen Lösungen des Systems nichtlinearer Differentialglei-

   chungen 1. Ordnung (also der Fixpunkte) bei bestimmten Werten

   des Kontrollparameters  (Bifurkationspunkt).

 

 

Definition:

 

Der Begriff "Bifurkation" oder "Verzweigung" bezeichnet den Übergang von einem Systemzustand in einen qualitativ anderen als Folge   einer im allgemeinen stetigen Änderung eines oder mehrerer Parameter m Î Â (Kontrollparameter).

 

Ein Punkt  im Parameterraum, bei dem qualitativ neue Bewegungstypen auftreten, heißt Bifurkationspunkt.

 

 

 

Bemerkungen:

 

·  Eine notwendige Voraussetzung für Bifurkation ist die Nicht-

   linearität der Differentialgleichungen.

 

·  Die Zahl und Art der Fixpunkte (Attraktoren) kann sich schlagartig

   bei  ändern.

 

·  Der Begriff Bifurkation ist verknüpft mit dem Begriff Stabilitäts-

   wechsel.

 

·  Da die Physik immer mit realen Größen als Meßwerte arbeitet,

   sind Kontrollparameter und dynamische Variablen reell.

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